Briefly Shaking
(2006, Virgin/EMI 00946 343408 2)
Bringen wir's hinter uns: Ja – Anja Garbarek ist die Tochter des norwegischen Saxofonisten. Auch sie macht Musik, aber damit haben die Gemeinsamkeiten schon ein Ende. Ihre Musik steht wohl im Pop-Regal, besitzt aber eher avantgardistischen Mut und wirft mit neuen Klang-Visionen und raffinierten Samples nur so um sich. Das läst einen an Kate Bush, Stina Nordenstam, Laurie Anderson oder natürlich Björk denken, wobei die Fülle und Innovativität der Sounds mehr an ihre Landsleute Kari Rueslåtten und Bertine Zetlitz erinnert. Ihre Stimme wirkt oft so naiv-kindlich wie eine zuckersüße Billy Holiday, doch die düsteren Texte über Serienmörder, entführte Frauen und die dunkelsten Augenblicke des Lebens stehen dazu in hartem Kontrast: auch das eine Analogie zu Kate Bush.
Im einen Moment noch klingeln fragile Spieldosen-Melodien, dann rattern harte Drums los; auf harsche Gitarren-Attacken folgen zum Dahinschmelzen schöne Refrains: Dieses ständige Wechselspiel von Minimalismus und Opulenz macht den sehr speziellen Reiz dieser Platte aus, und wir lernen: Hinter der Lieblichkeit verbergen sich Abgründe, in der Düsternis keimt neues Licht. Anja Garbarek öffnet uns wahrlich ein Märchenland voll magischer Klänge und beweist, dass sich auch die vertracktesten Wendungen dank zauberhafter Melodien zu einem zauberhaften Pop-Kosmos fügen jenseits von MTV und Viva – dort wird unsere Heldin wohl leider nie gespielt werden. (peb)
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