Odyssey / Unfinished Highballs - In Studio & In Concert
(3 CDs, 2012, ECM/Universal ECM2136-38)
Übertrieben ist es sicher nicht, Terje Rypdal als einen der innovativsten Gitarristen des Jazz zu bezeichnen. Vor allem im ersten Jahrzehnt von ECM setzte er bis heute wegweisende Akzente, trug entscheidend mit dazu bei, dass das Label seinen heutigen Stand hat, und vor allem beeindruckt die bereits seit über vierzig Jahre anhaltende Zusammenarbeit mit Manfred Eicher nach wie vor durch regelmäßig kraft- und fantasievolle Platten. Der Klang seiner E-Gitarre ist stilistisch fraglos nicht jedermanns Sache, manches mal geriet die Glätte gar allzu rutschig oder esoterisch - aber sei's drum. Es erstaunt doch sehr, dass sein 1975er Opus Magnum »ODYSSEY« in all den Jahren nie vollständig auf CD erschien. Nun ist es an der Zeit, und Fans werden sich freuen, dass mit diesem klangtechnisch sensibel restaurierten 3-CD-Set nicht nur die 24 Minuten »Rolling Stone« erstmals auf CD zu haben sind, sondern darüber hinaus eine »frisch entdeckte«, exzessiv tobende BigBand-Radioaufnahme, die Rypdal 1976 mit seinem Quartett, der Swedish Radio Jazz Group und dem Bassisten Georg Riedel aufgenommen hat, amüsant »Unfinished Highballs« betitelt.
Wer mit Rypdals Stil bislang nicht so recht warm wurde, dem könnte das Album »ODYSSEY« ein guter Türöffner sein: Die acht Stücke bestechen durch Vielseitigkeit und streckenweise eine Vitalität, der man sich noch heute kaum entziehen kann. »Midnite« und »Over Birkerot« treffen trotz ihrer bald vierzig Jahre fantastisch unmittelbar ins Schwarze des Jazz und Rock gleichermaßen. Solch rauschhafte Energie findet man bei ECM heutzutage allenfalls bei Erkki-Sven Tüür. Die Komplexität der ruhigeren (Solo-)Stücke dagegen erschließt sich nicht auf Anhieb, doch wird kaum jemand bei »Farewell« oder »Adagio« das Gefühl vermeiden können, diesem spezifischen Rypdal-Klang schon oftmals begegnet zu sein, einprägsam etwa in Michael Manns Film »Heat«.
Der lobhudelnde Text im Beiheft übertreibt nicht: Mit »ODYSSEY« kondensierte Terje Rypdal scheinbar unvereinbare Einflüsse (Penderecki! Hendrix! Ligeti! Miles-Davis-Fusion!) zu (s)einem ureigenen Stil. Davon zehrt er bis heute. Allein das Siebziger-Jahre-Klangbild fällt streckenweise als etwas gealtert auf. Selbstredend, dass die fulminante CD3, »Unfinished Highballs« mit zwölf Bläsern und drei Bassisten, jeden Cent lohnt. Das fetzt, wie der Berliner sagt. (ijb)
|