Featherbrain
(2012, Propeller Recordings/Soulfood)
Ob Hanne Hukkelberg in einer Hexenhütte im Wald oder einem Spukhaus auf einer nebelumwogten Insel lebte, als sie ihr viertes Album »FEATHERBRAIN« austüftelte, darüber kann man nur spekulieren. Fest steht, dass sich die eigenwillige norwegische Chanteuse bewusst zwischen alle Stile setzt. Und uns auffordernd eine Hand hinhält: Wenn wir wollen, können wir ihr folgen in eine beunruhigende Welt, in der die Gewissheiten schwinden und das Herz schmerzhaft pocht. In Hanne Hukkelbergs musikalischem Kosmos geraten die Dinge ganz sachte aus den Fugen. Fast unmerklich verfällt die Sängerin in einen Zustand lichter Schlafwandelei, in der die elektronische Frickeleien plötzlich aufmüpfig werden, sich jazzig-improvisierte Versatzstückchen einschleichen und ein verrutschtes Piano Gänsehäute erzeugt. Einfache Kost ist das nicht.
Hanne Hukkelberg bewegt sich auf dünnem Eis. Ist auf eine dunkle Art romantisch, als hätte sie einen Abend zu viel damit verbracht, E.T.A. Hoffmanns düstere Kunstmärchen zu lesen. Die erste Single »My Devils« ist ein trotziges Stück Gegenwelt in der Traditition von John Waits, das von fast schamanischem »HA!"-Schreien getragen wird, unter der die eigentliche Empfindsamkeit fast zu verschwinden droht. Die Musik der Norwegerin klingt, als ob man sie sich pfeifend durch einen düsteren Zauberwald bewegt, den Kopf stolz erhoben. »FEATHERBRAIN« ist ein anspruchsvolles Schatzkästlein, in dem sich die Wünsche der guten und der bösen Feen wärmesuchend aneinander kuscheln. Windumtost warm wird es hier erst im allerletzten Song »Erik«, einem Duett Hukkelbergs mit dem 88-jährigen, klassisch ausgebildeten Sänger Erik Vister. In dem es, umschmeichelt von einem taumelndem Piano, um Vergänglichkeit und Bewahren geht. Und um das Wesentliche: Ums Lebendigsein, hier und jetzt.
(emv)
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