Taking Ship
(2014, Nordic Notes/Broken Silence NORCD0)
Heinrich Heine ist zwar schon Mitte des 19. Jahrhunderts verstorben, aber in einer der entlegensten Ecken Europas hat der letzte Dichter der deutschen Romantik einen bleibenden Eindruck hinterlassen: Ausgerechnet auf den Färöern, der Inselgruppe im Nordatlantik mit ihren knapp 50.000 Einwohnern. Die färingsche Singer-Songwriterin Guðrið Hansdóttir hat in dem Düsseldorfer Poeten und Grenzgänger eine verwandte Seele entdeckt. Denn die Chanteuse ist hörbar im Aufbruch. Verabschiedet sich vom reduzierten, bescheidenen Stimme-Gitarre-Modus und strebt in Richtung filigrane, komplexere Elektropopwelten. Auf »TAKING SHIP« vertont sie hauptsächlich Heine-Gedichte und wagt sich auch stilistisch auf Neuland vor: In ihre Songs hält eine schwebende Eleganz Einzug, die sich übrigens wunderbar mit der bescheiden-folkigen Grundstimmung verträgt.
Für ihren Aufbruch zu neuen Ufern hat sich Hánsdottir hochkarätige Unterstützung mit an Bord geholt: Das isländische Pianowunderkind Ólafur Arnalds, der sich vorzugsweise auf der grünen Grenze zwischen Klassik, Filmmmusik und Minimalismus bewegt, den finnischen Folkster Lauri Myllymäki von Ochre Room und Janus Rasmussen von den isländischen Synthie-Helden Bloodgroup. Das könnte hier in einem Übermaß an Einflüssen enden, tut es erfreulicherweise aber nicht. Songs wie »You Blossom Like A Flower« kommen leichtfüßig daher, schweben geradezu. Von großer Geste will Frau Hánsdottir nichts wissen, lieber mit Verve die kleine, kammerpoppige Form pflegen und Songs von ruhiger Schönheit schaffen. Das ist alles andere als spektakulär. Aber in seiner neugierig um die Ecke schauenden Attitüde, dem intelligentem Aufbruch in neue elektronische Welten von anrührender Schönheit. (emv)
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