Psychedelic Backfire I & II
(2019, Rune Grammofon RCD 2206 & RCD 2207)
Mit zwei voneinander getrennt erhältlichen Livealben zeigen Elephant9 einen repräsentativen Querschnitt ihres mittlerweile elfjährigen Schaffens. Das Material, das aus sämtlichen ihrer bisher aufgenommenen Alben stammt, wurde hierfür während vier aufeinanderfolgender Konzerte im Januar 2019 im Osloer Kampen-Bistro zusammengetragen. Auf der ersten CD finden sich überwiegend Kompositionen des Organisten und Keyboarders Ståle Storløkken, während die zweite CD etwas mehr jene des Bassisten Nikolai Hængsle zum Inhalt hat (aber auch eine Coverversion von Stevie Wonder, worauf noch einzugehen sein wird). Der weit wesentlichere Unterschied zwischen beiden Veröffentlichungen macht aber der Gitarrist Reine Fiske aus, der in der Geschichte des Trios immer wieder als Gast aufgetreten ist und es auch auf der zweiten CD zum Quartett erweitert.
Soweit die schnöden Fakten und man mag sich vorab fragen, ob es dieser Live-Alben wirklich bedurfte, weil die Band – sicher nicht ohne Stolz – auf die Cover mancher ihrer Studio-Alben schreiben ließ: »recorded live«. Doch dann zieht einen das Intro des ersten Titels sofort in seinen Bann. (Intros wird es im weiteren Verlauf dieser beiden Alben übrigens nicht mehr viele geben, die Herren kommen lieber ohne Umwege zur Sache). Nach viereinhalb Minuten ertönt das erste härtere Riff und fortan ist man rettungslos verloren in einem unglaublichen Jazz-Rock-Prog-Psychedelic-Sog, den die Truppe entwickelt: Storløkken orgelt sich den Wolf, man kann es nicht anders sagen und fährt darüber hinaus mit Rhodes-Einwürfen und fiesen Synth-Klängen mit voller Breitseite alles auf, was das Keyboarder-Herz sonst noch begehrt. Bassist Nikolai Hængsle unterfüttert das mit seinem pumpenden Bass und Torstein Lofthus gibt den Drummer-Derwisch.
Interessanterweise holzen sie auf dem »Einser«-Album noch mehr, als auf dem zweiten, obwohl da ja noch ein Instrument zum Krach machen fehlt. Doch insgesamt gibt sich das Trio etwas konziser als das Quartett, was sich bei ausgedehnten Songlängen von bis zu 18 Minuten wie ein Widerspruch anhören mag. Die Stücke erreichen übrigens auf beiden Alben fast ausnahmslos eine Länge von mehr als zehn Minuten. Auf dem »Zweier«-Album gerät der ganze Organismus unter Mitwirkung von Reine Fiske etwas mehr zum »Fliegen«, bei aller auch hier dargebotenen Härte. Die unterschiedliche Besetzung rechtfertigt auch die Tatsache, dass es zwei Stücke gibt, die auf beiden Alben vorhanden sind, denn es ist äußerst interessant, die daraus resultierenden Unterschiede wahrzunehmen. Dem Gitarristen gelingt dabei das Kunststück, niemals auch nur annähernd in ein klischeehaftes Muckertum zu verfallen. Das gilt auch für die kaum mehr wieder zu erkennende Coverversion von »You Are The Sunshine Of My Live«, einem der Höhepunkte dieser an Höhepunkten nicht armen Veröffentlichungen, die einen beseelt, aber auch etwas wehmütig zurücklassen, denn bei diesem Ereignis wäre man sehr gern im Publikum gewesen. Der ungeschminkte und sehr präzise Live-Sound vermittelt einen sehr guten Eindruck von der intimen Atmosphäre des Aufnahmeorts.
Ein mehr als berauschender Ritt. (stv)
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