Lysøen – Hommage à Ole Bull
(2011, ECM/Universal 2179)
Mit Clara Schumann hat er gespielt, Liszt nannte ihn begeistert Genie, zu Lebzeiten wurde er als legitimer Nachfolger Paganinis gehandelt. Auch für Grieg war Ole Bull (1810-1880) ein wesentlicher Einfluss, er habe ihm die Schönheit und Einzigartigkeit der norwegischen Volksmusik verdeutlicht. Zu ihr pflegte Bull lebenslang eine enge Beziehung, sowohl als Komponist wie auch als Geigenvirtuose; sie war ihm auch Grundlage seiner Improvisationskunst, denn Bull wurde als wahrer Meister der »Kunst des Moments« angesehen.
Nils Økland (Geige und Hardanger-Fiedel) und Sigbjørn Apeland (Piano und Harmonium) wollen Ole wieder ins Gedächtnis der Musikwelt zurückholen. Ihre »Hommage à Ole Bull« ist eine der besten und reichhaltigsten ECM-Platten der letzten Zeit, die 16 Stücke eine Mischung aus lyrisch-melodischen Bull-Stücken, Improvisationen über traditionellen und teils religiösen Liedern, dazu »Solveigs Lied« aus Edvard Griegs »Peer Gynt« (Ibsen hatte Ole Bull als Vorbild für diese Figur genommen) sowie einige Eigenkompositionen, die eine andere Färbung hineinbringen und mithin überraschen, so etwa das großartig eigenwillige »Belg og slag«.
Økland und Apeland nahmen als ersten in Ole Bulls märchenhafter, nach seinen Vorstellungen auf der Insel Lysøen an der norwegischen Westküste gebauten Villa auf, zudem auf einst von Bull selbst gespielt Instrumenten. Das kann auch mal ein volkstümlicher Walzer sein, doch der Schwerpunkt lag auf der kontemplativen Seite Bulls. Die Schönheit und Ruhe der Umgebung inspirierten die Wahl der Stücke – was sich ohne Umwege auf den Zuschauer überträgt. Man wähnt sich an einem fernen Ort oder in einsamer, stiller Natur, wenn nicht gar im vorletzten Jahrhundert. Dieser melancholische Liedzyklus ruft ungemein intensive Bilder von seltenem Abwechslungsreichtum hervor. Vielleicht nicht gerade das, was man sich im anbrechenden Frühling wünscht, aber ECM-Platten sind ja in den meisten (und besten) Fällen ohnehin zeitlos. Produktion und Klang (Manfred Eicher und Audun Strype) sind exzellent – glasklar, subtil facettenreich und extrem präsent, als wären die beiden Musiker direkt im Raum.
Dass dies alles so ganz leicht und schwebend und fast unscheinbar wirkt, ist in Wirklichkeit Zeugnis des meisterlichen Niveaus, auf dem Økland und Apeland nach etlichen, höchst vielseitigen Projekten angekommen sind. Eine Platte, zu der man über die Jahre immer wieder zurückkommen, sie stets neu hören und sich bestimmt neu bewegen lassen wird. (ijb)
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