Mirakler
(2018, Hubro/Grappa HUBROCD/LP2588)
»Wunder« (im Plural) lautet – ins Deutsche übersetzt – der Titel, den Moskus ihrem vierten Album gaben; und der eigentliche Gag daran ist nicht, dass der Wanderer (vermutlich ein Freund des Fotografen) auf dem Coverfoto von Magnus Skavshaug Nergaard (hauptamtlich Bassist bei befreundeten Bands wie Monkey Plot und Ich Bin N!ntendo) Auge in Auge einem Hirsch gegenübersteht, sondern dass die Band die Chance verstreichen lässt, das Tier, nach dem sie sich benannt hat, einen Moschusochsen, aufs Cover zu nehmen. Auch sonst macht das Pianotrio mal wieder alles anders, als man es erwartet – und vor allem anders als ausnahmslos jedes andere Pianotrio. Die drei Norweger klingen diesmal so wenig nach Jazz, geschweige denn nach Klaviertrio-Jazz wie noch nie. Da kommt so alles mögliche an Instrumenten zum Einsatz, vor allem diverse Orgeln, und Billig-Keyboards von Casio und Yamaha, aber auch Blockflöte und Vibrafon, damit nur nichts Konventionelles raus kommt.
Während Paal Nilssen-Love Etliches in ein langes, surreales Stück von 33 Minuten Länge packt, teilen Moskus ihre vergleichbar psychedelische Suite in 13 teils (sehr) kurze Tracks auf (das kürzeste mit dem Titel Haiku, natürlich, dauert gerade mal 13 Sekunden), die man beim Durchhören jedoch als ein ununterbrochenes Stück erlebt, wenn auch psychedelisch in Zeitlupe, skizzenhaft und oftmals bewusst primitiv, im Sinne von minimalistisch. Ganz selten setzen sie eine Pause, etwa wenn nach der vierminütigen »Jailhouse art music«, die natürlich alles andere als das ist, ein nächtlich versponnenes Duett zwischen singender Säge und Piano mit dem Titel »(",)« folgt und dann die schwebend unnahbare Platte mit dem Nachtstück »En natt« ausgleitet, das ebenso gut aus einem alten, aber vollauf vergessenen schrägen Film aus dem Tschechien der frühen Siebziger stammen könnte. Die meisten Stücke verweisen schon in ihrem Namen auf die skurrile Welt, in die Moskus aufgeschlossene Hörer einladen, etwa »Voyager« oder »Ludwig XIV«. Ein englischer Kollege (der ebenfalls die Assoziation zu alten, schrägen Filmen hatte) könnte den Nagel nicht besser auf den Kopf treffen, wenn er schreibt: »'MIRAKLER' fühlt sich an wie ein Jazzalbum, wie es der Regisseur David Lynch machen würde.« (ijb)
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