States of Minds
(2 CDs, 2018, Hubro/Grappa 2CD/2LP, HUBROCD2577)
Nach drei starken Alben als Quartett kommt nun, nach dem bisherigen Zenit von Møster!s Laufbahn mit »WHEN YOU CUT INTO THE PRESENT« gleich ein Doppelalbum mit einem fünften Bandmitglied. Freilich war Jørgen Træen auf den Vorgängern bereits im Hintergrund an den Reglern und damit wesentlich am Sound der Gruppe beteiligt, doch nun erweitert sein Spiel am Modularsynthesizer und der Hawaiigitarre ihren Stil hin zu einem (noch) kräftigeren Rocksound – Krautrock, Artrock, Progressive Rock, Jazzrock, Noise-Rock, Psychedelic Rock, Postrock... Ja, man glaubt es kaum, aber Møster! bieten so ziemlich alles, was das Herz begehrt – und mehr – auf diesem tollen Opus auf zwei CDs. Allerdings wurde »STATES OF MINDS« schon vor anderthalb bis zwei Jahren eingespielt; gerne wüsste man, wo die Band mittlerweile steht.
Gleich das erste Stück, eine von mehreren Gruppenimprovisationen des Albums, legt die Latte sehr hoch mit einer 20-minütigen Suite, die Møster!s Klasse auf ein neues, ein deutlich reiferes Niveau hebt. Ein wenig fühlt man sich an die Power der ersten Alben von Huntsville erinnert, als jene sich aufmachten, den progressiven Rock mit Mitteln der norwegischen innovativen Musikszene in die Gegenwart zu holen. Doch Møster! gehen schon mit dem nächsten Stück, einer knapp zehnminütigen wilden Rocknummer, in eine andere Richtung; durch Kjetil Møsters Saxofon und die rhythmisch-energische Durchschlagkraft der Truppe könnte man fragen, ob »Unhorsed by Chivalry« unter dem Einfluss von Donny McCaslins genre-transzendierender Band entstand, die auch der Kollaboration auf David Bowies »★« zu solcher Größe verhalf.
Aber es gibt noch mehr, viel mehr: »Bow Shock« und »What a Flop Waking up« könnten von Sonic Youth stammen, allerdings aus zwei völlig verschiedenen Phasen der Band: Ersteres ist famoser Noise-Rock, ein Lärm, der durch das wilde Saxofon ein wenig an The Thing bzw. Mats Gustafssons Kollaborationen mit Sonic Youth und Thurston Moore gemahnt, letzteres erinnert mit spröden Gitarrenimprovisationen und schräger rhythmischer Stimmung an die experimentellen Alben des bandeigenen SYR-Labels – oder auch an Fred Frith. Ja, Gitarren sind hier streckenweise dominanter als das Saxofon; das gesamte Album besticht mit vielseitigen Gitarrenklangbildern. Erstmals wurden, neben Træens Synths, auch von fast allen anderen Mitgliedern elektronische Effekte mit eingebaut, freilich ohne dass ein merklich elektronischer Sound entstünde, von einer blubbernden Drone-Nummer vielleicht abgesehen. Und auch der Jazzrock kommt nicht zu kurz: Das 22-minütige »Life Wobble« beginnt mit einem funkigen Rhythmus, fast wie bei Miles Davis in den Siebzigern (vgl. »ON THE CORNER«). Mit über 80 Minuten ist »STATES OF MINDS« zwar ein episches Album, aber keine Minute zu lang oder gar langweilig, sondern ein reicher Schatz. (ijb)
|