Engegård Quartet: Grieg · Sibelius · Thommessen
(SACD, 2015, BIS 2101)
Das norwegische Engegård-Quartett haben wir hier schon des öfteren als eines der spannendsten und besten Streichquartette Skandinaviens besprochen und entsprechend empfohlen. Immer wieder beeindruckt das Ensemble um den 1963 im nordnorwegischen Bodø geborenen Primarius Arvid Engegård mit ausgefeilten Interpretationen klassischer, zeitgenössischer und folk-verbundener Musik. Auf ihrer ersten BIS-CD wagen sie sich an zwei der meistgespielten und -gehörten Klassiker der nordischen Spätromantik, Edvard Griegs einziges vollendetes Streichquartett aus den Jahren 1877/78 und Jean Sibelius' »Voces Intimae« (1909). Abgerundet wird das Programm mit den beiden halbstündigen Werken von dem ganz jungen »Felix Remix«, dem kurzen vierten Streichquartett des 1946 geborenen Olav Anton Thommessen.
Mit ihrer sehr inspirierten Interpretation von Grieg legen die vier gleich zu Beginn der CD eine Referenzeinspielung vor, überaus lebendig und durchdrungen; ein sehr guter, ausgefeilter Ansatz, Grieg auf eine zeitgenössische Weise zu spielen, nicht, wie so oft, romantisch angestaubt, sondern viele verschiedene Seiten in dem gut 33-minütigen Werk in ihrer Gegensätzlichkeit zur Geltung bringend. Man hört sehr gut, welche unterschiedlichen Elemente in die Komposition eingeflossen sind. Und man hört die Lust der Musiker, wie sie jede Gelegenheit wahrnehmen, sich in die Vielzahl der Ideen und Gedanken Griegs einzufühlen und das, was von ihm angeboten wird, herauszukehren, nicht im naheliegenden Kontrast von romantischer Sehnsucht und ruppiger Gegenwart verweilend, sondern jede Wendung in ihrer eigenen kompositorischen Idee wertschätzend. Jeder Satz klingt frisch und neu; die Interpreten verstehen nicht nur, das Tempo klug zu gestalten, sondern eben auch aus ihrem Fundus ihrees reichen bisherigen Schaffens heraus inspiriert zu spielen.
Im Prinzip trifft all dies auch auf Sibelius' 30 Jahre später entstandenes »Voces Intimae« zu das nicht zum ersten Mal (siehe Emerson String Quartet) ein schlüssiges und angemessenes Gegenüber für Griegs Quartett bildet. Auch hier können die Engegård-Quartett-Musiker jedem der fünf Sätze eine ganz eigene, spannende Charakteristik – hier zeitgenössisch, dort volksmusikalisch, dann wiederum klassisch – verleihen, faszinierenden Klangfarbenreichtum gestalten, rhythmisch virtuos und bis zum mitreißenden Finale packend.
Bleibt Thommessens neunminütiges Stück, dem die undankbare Rolle des Nachklapps nach zwei so fulminanten Werken zukommt. Es scheint auch nicht so ganz klar zu sein, was man sich von dem Sprung in die jüngste Gegenwart erhofft, obgleich das Scherzo aus Mendelssohns Op. 44 Nr.2 als Ausgangspunkt diente. Es wird mit reizvollen Klangideen und und surrealer Stimmung hantiert, doch würde man gerne noch hören, wie es nun weitergeht. Vielleicht Raum für eine Fortsetzung? (ijb)
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