N-Plants
(2011, Touch TO:84)
Geir Jenssen war durch ein Foto eines alten japanischen Kernkraftwerks neugierig geworden: das futuristisch designte Kraftwerk Mihama, in schöner Lage direkt an der Pazifikküste. Weitere Recherchen ergaben, dass auch viele weitere Kraftwerke in Erdbebengebieten und nah am Meer gebaut wurden, wo schon früher Tsunamis vorkamen. Sind die sicher, wenn extreme Naturkräfte ausbrechen sollten? Das fragte sich Jenssen. Er entschied sich, eine Art Soundtrack zu diesen Kraftwerken einzuspielen (eine interessante Ironie zu seinem Alias Biosphere), mit Fokus auf die Achitektur, das Design und die Orte – aber ebenso wollte er die Strahlungsgefahr thematisieren. Der Chef der Nuklear- und Industriesicherheit kommentierte, die Kraftwerke seien so gut entworfen, dass »solch eine Situation praktisch unmöglich« sei. Mitte Februar war das Album fertig. Am 17. März 2011 erhielt Jenssen eine Nachricht von einem Freund: »Wird dies dein neues Albumcover? Wie konntest du die Zukunft voraussehen?«
Die Geschichte zu diesem Album ist zugegebenermaßen spannender als die CD selbst. Die neun, nach japanischen Städten und Kraftwerken benannten Tracks sind unterkühlt, von einer fast emotionslosen Perfektion, und sauber exerziert, tatsächlich eher ein Soundtrack zu Architektur denn musikalisch berauschende Electronica. Biosphere beschränkt sich auf eleganten Ambient-House, teilweise ohne Beats und vor allem ohne Gesang. Nur zwei Mal ist eine gesampelte japanische Sprecherstimme Teil der Komposition, wie ein Rhythmusinstrument; dies sind die eindringlichsten Momente des Albums. Insgesamt klingt »N-Plants« weniger düster als frühere Biosphere-Platten, scheinbar glatt. Doch gerade deshalb muss man unbedingt darauf hinweisen: Es ist ein vielschichtiges und sensibel komponiertes wie produziertes Album, auch wenn man das nicht sofort bemerkt und es einige Aufmerksamkeit und Zeit erfordert, hinter die fast undurchdringlichen Oberflächen zu blicken und horchen. (ijb)
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